Eine jahrhundertealte Methode mit moderner Bedeutung
Die Behandlung mit Blutegeln gehört zu den ältesten Naturheilverfahren der Medizin – und sie hat auch heute noch ihren festen Platz in der Tierphysiotherapie. Richtig angewendet, kann sie wertvolle Unterstützung leisten – vor allem bei Schmerzen, Entzündungen und Schwellungen im Bereich des Bewegungsapparats.
Während der Blutegel an der Haut saugt, gibt er über seinen Speichel (das sogenannte Egelsekret) eine Vielzahl bioaktiver Substanzen ab. Diese Kombination aus über 30 bekannten Wirkstoffen entfaltet gleich mehrere Effekte:
Schmerzstillend – durch Hirudin und Egline, die die Blutgerinnung hemmen und die Schmerzleitung beeinflussen.
Entzündungshemmend – die Wirkstoffe wirken lokal abschwellend und fördern die Durchblutung, was den Heilungsprozess unterstützt.
Entstauend und durchblutungsfördernd – durch den Blutverlust und die Gefäßerweiterung wird die lokale Mikrozirkulation verbessert, abgestaute Flüssigkeit kann besser abfließen.
Sanfte Blutreinigung – die kleine Blutmenge, die nach der Behandlung noch nachblutet, wirkt wie ein Mini-Aderlass und regt den Stoffwechsel an.
Der eigentliche „Biss“ des Blutegels ist für den Hund in der Regel kaum spürbar. Viele Tiere entspannen während der Behandlung deutlich.
Blutegel kommen in meiner Praxis vor allem bei folgenden Beschwerden zum Einsatz:
Arthrosen und Gelenksentzündungen
Sehnen- und Bänderverletzungen
Hämatome und Schwellungen nach Verletzungen oder Operationen
Durchblutungsstörungen
Spondylose und degenerative Wirbelsäulenveränderungen
lokale Entzündungen z. B. nach Insektenstichen, Abszessen oder schlecht heilenden Wunden
Auch in der Rehabilitationsphase nach Operationen kann die Therapie unterstützend wirken, da sie den Heilungsprozess beschleunigt und Schmerzen reduziert.
Nach einer kurzen Vorbereitung werden die Egel auf die betroffene Region gesetzt. Je nach Beschwerdebild kommen meist zwei bis sechs Egel zum Einsatz. Sie saugen etwa 20 bis 60 Minuten lang, bis sie sich von selbst ablösen.
Die Bissstellen bluten im Anschluss noch einige Stunden nach – das ist gewünscht und Teil der Therapie, da dadurch die entstauende Wirkung verstärkt wird. Die Stellen werden anschließend mit lockeren Verbänden geschützt und verheilen innerhalb weniger Tage.
Wichtig: Nachblutungen gehören zur normalen Reaktion!
Die Bissstellen können mehrere Stunden deutlich nachbluten, auch noch zuhause. Das sieht oft dramatischer aus, als es ist – es handelt sich dabei um Kapillarblut, das langsam austritt. Wer sich mit dem Anblick von Blut unwohl fühlt oder nicht damit umgehen kann, sollte vor der Behandlung unbedingt Bescheid sagen, da Blutegeltherapie in diesem Fall nicht die richtige Methode ist.
Die Wirkung der Blutegeltherapie kann mehrere Tage bis Wochen anhalten.
Bei akuten Problemen (z. B. Schwellung, Hämatom, akute Entzündung) reicht oft eine einzelne Sitzung.
Bei chronischen Erkrankungen wie Arthrosen kann eine Wiederholung im Abstand von etwa 3–6 Wochen sinnvoll sein, gelegentlich auch in längeren Intervallen als „Auffrischung“.
Wie häufig behandelt wird, hängt vom individuellen Verlauf und vom jeweiligen Hund ab.
Es gibt auch einige Kontraindikationen, bei denen die Anwendung nicht angezeigt ist, zum Beispiel bei:
Blutgerinnungsstörungen oder Medikamenten, die die Gerinnung beeinflussen
starker Anämie
Immunschwäche oder Hauterkrankungen an der vorgesehenen Ansatzstelle
bekannten Allergien gegen Egelbestandteile
Vor jeder Behandlung erfolgt selbstverständlich eine gründliche Anamnese, um mögliche Risiken auszuschließen.
Viele Hunde zeigen bereits am Tag nach der Behandlung eine deutliche Erleichterung im Bewegungsablauf oder eine Reduktion der Schwellung.
Die Wirkung kann – je nach Ausgangsbefund – mehrere Wochen anhalten. In chronischen Fällen wird die Blutegeltherapie oft mit weiteren physiotherapeutischen Maßnahmen wie Lasertherapie, Unterwasserlaufband oder manueller Therapie kombiniert, um das Ergebnis zu stabilisieren.
Die Blutegeltherapie ist eine sanfte, aber äußerst wirkungsvolle Methode, um Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und die Regeneration zu fördern. Sie verbindet Naturheilkunde mit moderner tierphysiotherapeutischer Erfahrung – und bietet gerade für Hunde mit chronischen Gelenkerkrankungen oder nach Verletzungen eine wertvolle Ergänzung zu anderen Therapien.
Gemäß der Tierarzneimittelverordnung vom 29.01.2022 dürfen Blutegel nur noch mit einer tierärztlichen Verordnung unter Angabe der Menge und Positionen eingesetzt werden.